
bin dabei. Begegnungen an der Yes!con
Berlin. Mai 2025. Wir sind mittendrin, in einem Gasometer voller Geschichten, Fragen, Blicke, Tränen, Kraft. Die YES!CON hat gehalten, was sie versprochen hat: ein Raum zu sein für Menschen, die betroffen sind. Direkt. Indirekt. Heftig. Leise. Unübersehbar. Hier wird spürbar: jeder fünfte Mensch ist von Krebs betroffen.
Für uns von finally war es das erste Mal auf dieser Messe. Und doch hat sich vieles vertraut angefühlt. Vielleicht, weil wir das Fragile beforschen und bearbeiten und aus dem eigenen Erleben kennen. Vielleicht, weil uns das Schweigen rund um Krankheit vielerorts nervt. Vielleicht, weil wir glauben, dass Design Brücken schlagen kann, wenn Worte fehlen, vielleicht weil wir die Haltung vertreten, dass Menschen durch bewusst gestaltete Dinge Halt finden, gerade dann, wenn sie sich schwach fühlen und ihnen die Kraft fehlt.
Wir durften auf der YES!CON unsere neue Care-Wear-Kollektion „Inbetween“ zur Diskussion stellen, textile Begleiter für Therapien: Kleidungsstücke für Menschen in Chemotherapie, in Genesung nach Operationen, im Übergang zwischen Klinik und Alltag, im Übergang zwischen kurativ und palliativ. Kleidung, die so gestaltet ist, dass sie nicht bloss bedeckt, sondern schützt. Nicht nur wärmt, sondern Halt gibt. Nicht nur schön aussieht, sondern auch funktional bei Behandlungen unterstützt. Kleidung, bei der das An- und Ausziehen für die Trägerin, aber auch für die behandelnden Fachpersonen, nicht zur Hürde wird – weil Reissverschlüsse und Klettverschlüsse punktuell Körperteile offenlegen, die bestrahlt, untersucht und versorgt werden müssen. Weiche Materialien und durchdachte Schnitte nehmen dabei Rücksicht auf das, was Menschen empfinden, wenn sie mit Narben, Schmerzen und Erschöpfung konfrontiert sind. Und ein Bedürfnis nach Würde auf allen Seiten besteht.
Es war bewegend, wie viele Menschen stehen geblieben sind und sofort wussten, um was es geht: Ja genau, hiess es von Betroffenen wie auch von Fachpersonen, genau so was brauche ich oder wir – für mich oder für die Behandlung von Menschen. Warum hat denn vorher niemand daran gedacht. Es war eindrücklich, wie viel Wissen und Geschichten hervorkommen, als die Menschen die neuen Entwürfe berührten, die Schnitte betrachteten und plötzlich ihr eigenes Gesundheitserleben thematisierten, von nackten Körpern, vom Frösteln, von alten Handtüchern erzählten, die ihnen übergeworfen wurden, weil entsprechende Textilien fehlten. Sie berichteten von der Kälte im Chemoraum, von ihrer Intimsphäre, die im Spital manchmal einfach verschwindet. Von dem Wunsch, sich nicht entblössen zu müssen, nur um untersucht zu werden. Sie bedankten sich teils unter Tränen für diese neuen Entwürfe, die ihnen auch ihren Weg erleichtert hätten und dafür, dass wir als Designer:innen auch einmal drauf schauen, dass Menschen mit Krebs nicht nur als Patient:in gesehen werden, sondern auch als Menschen, die ihren Alltag trotz Krankheit einfach leben wollen, mit Humor, Lebensfreude und Style.
Wir haben Gespräche geführt mit Menschen, die gerade mitten in der Behandlung stehen. Mit solchen, die aufgrund ihrer Metastasierung nicht wussten, ob sie nächstes Mal hier noch teilnehmen können oder die Produktion unserer neuen Kollektion erleben werden. Wir waren in Kontakt mit Menschen, die jemanden verloren oder begleitet haben, die sich nun aktivistisch für einen anderen Umgang mit Krebserkrankungen einsetzten, und mit Menschen, die beruflich begleiten – in Pflege, Palliative Care, Therapie. Und immer wieder fiel ein Satz: „Es macht einen Unterschied, ob ich mich gesehen fühle, mich wohlfühle. Warum hat das noch keiner vorher daran gedacht?“
Dass wir diesen Weg auf die YES!CON gefunden haben, dass wir diesen Unterschied nun machen, dass wir uns der Krankheit Krebs explizit gewidmet haben – dafür möchten wir Alessandra Finazzi danken, die als krebserkrankte Person zu uns Kontakt aufnahm, wütend und enttäuscht, dass es für Menschen in ihrer Situation nichts gibt. Gemeinsam sassen wir zusammen, um die Care Wear zu realisieren, gemeinsam machten wir das Shooting und gemeinsam gehen wir noch weiter. finally ist eben nicht nur eine Plattform von Produkten, sondern auch ein Ort der Partizipation. Gemeinsam die Gesundheitswelt zu verändern, ist dabei die gemeinsame eine Haltung. Denn nicht nur wir glauben, dass jede:r das Recht hat, sich in der eigenen Haut wohlzufühlen – auch wenn Körper, Geist und Seele gerade in Veränderung und verletzlich sind. Auch wenn die Haut Narben trägt, auch wenn der Körper von Kopf bis Fuss schmerzt. Und wir glauben, wie auch viele Betroffene, dass Gestaltung dabei helfen kann, gewisse Schmerzen – seien sie sozial, psychisch, physisch oder spirituell – zu lindern. Design als Mittel der Zuwendung, Design als stilles Mitgehen auf einen Gesundheitsweg, der nur selten planbar ist.
Die YES!CON war für uns mehr als ein Messeauftritt. Es war ein gemeinsames Lernen, Nachdenken und Innehalten. Wir danken der YES!CON, dass sie uns eingeladen hat und sind glücklich für all die Gespräche, die Umarmungen, das Feedback, die vielen Bestärkungen weiterzumachen und die Angebote, uns in unserer Mission und Vision zu unterstützen.
Denn das Leben mit Krebs ist kein Randthema. Es betrifft viele. Und es verdient Raum, Würde, Schönheit. Umso weniger begreifen wir selbst, dass wir aus dem Design so wenige Mitstreiter:innen haben.
finally. – Für fragile Zeiten. Für deinen Weg.